Infothek

Fahrverbot bei Geschwindigkeitsüberschreitung

Autoren: Rechtsanwältin Dr. Maria Miluscheva, Fachanwältin für Strafrecht und Peter Alicke, Rechtsreferendar (Anwaltsstation)



Die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Straßenverkehr mit dem Kfz kann nicht nur ein hohes Bußgeld nach sich ziehen, sondern unter Umständen auch ein Fahrverbot von bis zu drei Monaten.

Der vorliegende Artikel soll einen Überblick darüber verschaffen, in welchen Fällen bei Geschwindigkeitsüberschreitung regelmäßig ein Fahrverbot angeordnet wird und wann hiervon eine Ausnahme gemacht werden kann.

Regelfahrverbot

Gemäß § 25 StVG kann die Verwaltungsbehörde oder das Gericht gegen denjenigen, gegen den wegen einer Ordnungswidrigkeit ein Bußgeld festgesetzt wurde, ein Fahrverbot von einem bis zu drei Monaten verhängen, wenn die Person dabei grob oder beharrlich die Pflichten eines Kraftfahrzeugführers verletzt hat.

Die Bußgeldkatalogverordnung (BKatV) sieht sogenannte Regelfälle vor, in denen in der Regel ein Fahrverbot zu verhängen ist. Wird die Geschwindigkeit mit einem Kfz bis 3,5 t zulässiger Gesamtmasse innerorts um 31 km/h überschritten, so liegt gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 BKatV i. V. m. 11.3.9 BKat ein Regelfall vor, bei dem grundsätzlich ein Monat Fahrverbot angeordnet wird. Außerorts gilt dies ab einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 41 km/h. Je nach Höhe der Überschreitung steigt das Fahrverbot auf bis zu maximal drei Monate.

Ausnahmen vom Regelfahrverbot

Wenn Sie einen Bußgeldbescheid mit der Anordnung eines Fahrverbots wegen Geschwindigkeitsüberschreitung erhalten haben und der Ansicht sind, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung für Sie nicht erkennbar war oder mildernde Umstände vorliegen, sollten Sie schnell handeln und Einspruch einlegen. Von einem Fahrverbot kann nämlich nur dann abgesehen werde, wenn Sie Anhaltspunkte dafür vortragen, dass es sich nicht um einen groben oder beharrlichen Verstoß handelt. In jedem Fall empfiehlt es sich daher, frühzeitig einen Rechtsanwalt zu kontaktieren. Dieser kann überprüfen, ob in Ihrem Fall besondere Umstände vorliegen und Ihre Argumente gegenüber dem Gericht vortragen, um ein Fahrverbot gegebenenfalls abzuwenden.

  • Augenblicksversagen

    Das Gericht kann das Fahrverbot aufheben, wenn trotz des objektiv schwerwiegenden Verstoßes dem Fahrer subjektiv kein besonders verantwortungsloses Verhalten vorgeworfen werden kann, etwa weil ihm nur leichte Fahrlässigkeit zur Last fällt, wie es in Fällen von sogenanntem „Augenblicksversagen“ der Fall sein kann. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung darauf beruht, dass lediglich ein geschwindigkeitsbeschränkendes Verkehrsschild übersehen wurde.
  • Dies allein reicht zwar nicht aus, um von Augenblicksversagen und damit leichter Fahrlässigkeit auszugehen. Wenn jedoch keine weiteren Umstände hinzutreten, aus denen sich die Geschwindigkeitsbeschränkung aufdrängen musste, spricht vieles dafür, dass es tatsächlich nur um ein kurzfristiges Fehlverhalten handelte. Augenblicksversagen kann demnach vorliegen, wenn der Fahrer ortsunkundig ist, das Ortseingangsschild übersieht und aufgrund der örtlichen Gegebenheiten (Ausbau der Straße, örtliche Bebauung) davon ausgeht, er befinde sich außerhalb eines Ortes. Zudem darf sich auch nicht aus dem Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer ergeben, dass eine bestimmte Geschwindigkeitsbeschränkung besteht. Fährt der Betroffene nämlich im Bereich des Regelfahrverbots innerorts mit über 31 km/h schneller als die übrigen Verkehrsteilnehmer, muss es sich ihm geradezu aufdrängen, dass er die zulässige Höchstgeschwindigkeit deutlich überschreitet. In so einem Fall wird das Gericht nicht von einem Augenblicksversagen ausgehen.

  • Drohende Existenzvernichtung

    Stellt das Fahrverbot eine unangemessene Reaktion auf die Tat dar, die den Betroffenen unverhältnismäßig hart trifft, kann nach der Rechtsprechung bei Eingreifen von Milderungsgründen oder erheblichen Härten von einem Fahrverbot abgesehen werden. Bei der Beurteilung, ob ein Fahrverbot angemessen ist, können die beruflichen und wirtschaftlichen Folgen des Fahrverbots gewürdigt werden. Dabei kann insbesondere bei einer drohenden Existenzvernichtung von einem Fahrverbot abgesehen werden, etwa dann, wenn der Verlust des Arbeitsplatzes durch Kündigung droht. So haben verschiedene Gerichte von einem Regelfahrverbot abgesehen und dafür die Geldbuße erhöht, wenn es sich bei dem Betroffenen um einen Berufskraftfahrer handelte.

  • Besondere Umstände

    Im Einzelfall kann von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden, wenn wesentliche Besonderheiten in der Tat oder in der Persönlichkeit des Betroffenen vorliegen und deshalb vom Regelfahrverbot abzuweichen ist. Der konkrete Fall kann z. B. einen Ausnahmecharakter aufweisen, weil der Betroffene durch sein Verhalten während oder nach der Tat gezeigt hat, dass die erzieherische Wirkung eines Fahrverbots entbehrlich ist. Zu denken wäre an die Situation, dass jemand möglichst schnell gefahren ist, um einem herzkranken nahen Angehörigen Hilfe zu leisten bzw. diesen ins Krankenhaus einzuliefern.

Erleichterungen beim Vollzug des Fahrverbots

Das Gesetz sieht die Möglichkeit vor, dass das Fahrverbot auf eine bestimmte Art von Kraftfahrzeugen beschränkt wird, damit der Betroffene noch mobil bleiben kann und dennoch einen „Denkzettel“ erhält. Bei einem Berufskraftfahrer kann das Fahrverbot auf Pkw und Lkw innerhalb der Klasse B beschränkt werden. Das Führen eines Lkws innerhalb der Fahrerlaubnisklasse C kann ausgenommen werden, damit der Berufskraftfahrer seiner Erwerbstätigkeit nachgehen kann. Desgleichen können Leichtkrafträder ausgenommen werden, um z. B. einem Pendler ohne öffentliche Verbindung den Weg zur Arbeit zu ermöglichen.

Es besteht die Möglichkeit, den Beginn des Fahrverbots innerhalb von vier Monaten nach Rechtskraft der Bußgeldentscheidung selbst zu bestimmen. Diese Möglichkeit besteht nur, wenn nicht innerhalb von zwei Jahren vor der Ordnungswidrigkeit ein Fahrverbot verhängt wurde und wenn auch bis zur Bußgeldentscheidung kein Fahrverbot gegen den Betroffenen verhängt wird. Somit kann das Fahrverbot gegebenenfalls während des Urlaubs des Betroffenen vollstreckt werden oder zu einem sonstigen Zeitraum, der den Betroffenen geringer belastet.