Infothek

Die Europäische Staatsanwaltschaft in Aktion

Autorinnen: Rechtsanwältin Dr. Maria Miluscheva, Fachanwältin für Strafrecht und Rechtsreferendarin Cheyenne Blum (Anwaltsstation)



In dem ersten Jahr der Tätigkeit der EUStA wurden bereits über 500 Ermittlungsverfahren eröffnet mit einem geschätzten Schaden in Höhe von mehr als 5 Mrd. EUR. Fast 150 Mio. EUR an Geldern wurden zudem beschlagnahmt. Am häufigsten waren Betrug in Zusammenhang mit Agrarsubventionen und der Mehrwertsteuer Anlass für die Ermittlungen der EUStA (vgl. https://www.eppo.europa.eu/en/news/eppo-investigates-eu54-billion-worth-loss-eu-budget-its-first-7-months-activity).

Das erste 2021 eingeleitete Verfahren betraf einen grenzüberschreitenden Mehrwertsteuer-Karussellbetrug, bei dem Luxusfahrzeuge mehrfach in verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten weiterverkauft wurden unter der falschen Angabe, Mehrwertsteuer sei gezahlt wurden, um diese sodann vom jeweiligen Staat erstattet zu bekommen. Hierdurch entstand ein Schaden in Höhe von mindestens 13 Mio. EUR. Im Zuge der Ermittlungen der EUStA kam es zu Durchsuchungen, Verhaftungen und Beschlagnahmungen in Deutschland, Italien und Bulgarien (vgl. https://www.eppo.europa.eu/en/news/international-strike-against-organised-crime-group-10-arrests-and-seizures-worth-least-eu13).

Zudem wurde 2021 ein Verfahren gegen den Bürgermeister der Stadt Nova Gradiška (Kroatien) wegen Korruption und Amtsmissbrauch im Zusammenhang mit dem EU-Kohäsionsfond eingeleitet (vgl. https://www.eppo.europa.eu/en/news/eppo-starts-investigation-against-mayor-croatian-city).

In Italien gab es 2021 darüber hinaus Ermittlungen der EUStA aufgrund der COVID-19-Pandemie. Ein Unternehmen hatte persönliche Schutzausrüstung (u.a. mangelhafte FFP2-Masken) über das „direkte Freigabe“-Verfahren steuerbefreit aus China importiert. Anstatt die persönliche Schutzausrüstung wie vorgesehen direkt an die Gesundheitseinrichtungen zu liefern, vermarktete das Unternehmen diese zu höheren Preisen an ein anderes privates Unternehmen (vgl. https://www.eppo.europa.eu/en/news/over-35-million-ffp2-medical-masks-and-over-eu11-million-assets-seized-italy).

Ferner kam es 2022 anlässlich der Ermittlungen der EUStA in 120 Fällen wegen Veruntreuung von u.a. EU-Agrarhilfen, EU-Geldern für Bauprojekte und EU-Corona-Hilfen zu einer Großrazzia in Bulgarien, im Zuge dessen der frühere bulgarische Ministerpräsident Bojko Borissow sowie weitere hochrangige Politiker wegen des Verdachts auf Missbrauch von EU-Finanzmitteln festgenommen wurden (vgl. https://www.dw.com/de/bulgariens-ex-regierungschef-borissow-wegen-korruptionsverdacht-festgenommen/a-61168507).

Zusammenarbeit der EUStA mit OLAF, Eurojust und Europol

Die bereits vorhandenen europäischen Institutionen OLAF, Eurojust und Europol sind demgegenüber nicht zu strafrechtlichen Ermittlungen oder Maßnahmen befugt.



OLAF (Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung) untersucht administrativ Betrugs- und Korruptionsfälle zulasten des EU-Haushalts und erteilt nach deren Abschluss entsprechende Empfehlungen hinsichtlich des weiteren Vorgehens an die zuständigen Stellen. Eurojust (Agentur der EU für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen) und Europol (Agentur der EU für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung) werden jeweils bei der Bekämpfung von grenzüberscheitendem Terrorismus und Organisierter Kriminalität in mehreren Mitgliedstaaten unterstützend tätig, wobei Eurojust hinsichtlich Koordination und Kooperation Hilfe leistet, während Europol die nationalen Behörden bei Strafverfolgungsmaßnahmen unterstützt.

Diese EU-Institutionen unterstützen die EUStA bei deren Tätigkeit. Hierzu finden sich in den Art. 99 ff. EUStA-VO Regelungen und es wurden zudem jeweils entsprechende Arbeitsvereinbarungen geschlossen. OLAF wird die EUStA insoweit administrativ bei der Sicherung des EU-Haushalts unterstützen und zusätzliche Untersuchungen vornehmen, wenn es etwa um Ermittlungen gegen EU-Beamte oder in Drittstaaten geht. Eurojust wird die EUStA insbesondere in solchen Konstellationen behilflich sein, in denen nicht an der EUStA teilnehmende EU-Mitgliedsstaaten oder Drittstaaten betroffen sind. Europol soll der EUStA insbesondere ihre Analyseexpertise zur Verfügung stellen.

Verteidigung des Beschuldigten bei Ermittlungsverfahren der EUStA

Unsere Kanzlei ist auf dem Gebiet des europäischen Strafrechts spezialisiert. Wir verfügen über langjährige Erfahrungen in Strafsachen mit grenzüberschreitenden Elementen und können Sie bei Strafverfahren der EUStA in Bulgarien und Deutschland tatkräftig verteidigen. Dr. Miluscheva promovierte im Bereich des europäischen Strafrechts und ist davon Überzeugung, dass die Sicherheit der Gesellschaft nur Hand in Hand mit der Gewährleistung der individuellen Grundrechte des Betroffenen erreicht werden kann. Ihre Kompetenzen werden durch regelmäßige Fortbildungen zu aktuellen Themen aus den Gebieten des europäischen Straf- und Strafverfahrensrechts abgerundet.

Die Verfahrensrechte der Betroffenen sind in Art. 41 EUStA-VO geregelt, welche u.a. ein Aussageverweigerungsrecht sowie das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand umfassen. Sollte die EUStA Ermittlungen wegen des Verdachts einer der o.g. Straftaten einleiten, sollte sich demnach der Betroffene unverzüglich an einen im Wirtschaftsstrafrecht spezialisierten Strafverteidiger wenden, da hier aufgrund des oft gewerbsmäßigen Handelns und der zumeist sehr hohen Schäden empfindliche (Freiheits-)Strafen drohen (vgl. hierzu etwa https://www.eppo.europa.eu/en/news/first-conviction-eppo-case-former-slovak-mayor-sentenced-3-years-conditional-imprisonment). Rechtsanwältin Dr. Miluscheva ist zertifizierte Strafverteidigerin in Wirtschaftsstrafsachen und kann Ihre Rechte effektiv durchsetzen.

Die mit der Errichtung der EUStA einhergehende Ermöglichung grenzüberschreitender Ermittlungen stellt auch die in solchen Verfahren tätigen Strafverteidigern vor neue Herausforderungen und erfordert eine entsprechende Fortbildung. Diese müssen sich nunmehr eigenständig mit dem jeweils anwendbaren Recht der anderen Mitgliedstaaten vertraut machen, Kooperationen mit Strafverteidigern aus anderen Ländern eingehen und sich so ein entsprechendes Netzwerk aufbauen, um eine effektive Verteidigung gewährleisten zu können. Hilfreich sind dabei Institutionen wie die European Criminal Bar Association (ECBA) und die Europäische Anwaltsvereinigung DACH, welche die Zusammenarbeit und den Austausch grenzüberschreitend tätiger Rechtsanwälte in der EU fördern sowie Kenntnisse über das nationale Recht der jeweiligen Mitgliedstaaten vermitteln. Unsere Kanzlei verfügt über ein breites Netzwerk in Bulgarien, Deutschland, Lichtenstein, Schweiz, Spanien, Italien und in anderen europäischen Ländern, auf das unsere Mandanten zurückgreifen können.

Wir freuen uns auf unsere Zusammenarbeit und die damit einhergehenden gemeinsamen Herausforderungen.