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Wird man künftig von der bayerischen Polizei auf Schritt und Tritt überwacht?

Autoren: Rechtsanwältin Dr. Miluscheva, Fachanwältin für Strafrecht und Léo Portner*, wissenschaftlicher Mitarbeiter

Am 15. Mai 2018 entscheidet der bayerische Landtag über die Neuordnung des Polizeiaufgabengesetzes. Durch das geplante Gesetz sollen die Eingriffsmöglichkeiten der Polizei erweitert werden. Der Gesetzesentwurf wird heftig kritisiert, weil die vorgeschlagenen Maßnahmen zu schwerwiegenden Eingriffen in die Grund- und Menschenrechte führen können. Der bayerischen Polizei werden durch das Gesetz u. a. folgende Befugnisse eingeräumt, welche das Leben und Wirken des Einzelnen im Freistaat beeinflussen können:

DNA-Analysen und Täterprofile

Die bayerische Polizei könnte nunmehr DNA-Untersuchungen durchführen, um Spuren unbekannter Herkunft zu analysieren. Aufgrund der Analyse einer Blutspur, die am Tatort gefunden wurde, wäre es für die Polizei möglich, Geschlecht, Augen- und Haarfarbe oder den mutmaßlichen biogeografischen Ursprung des potentiellen Tatverdächtigen zu identifizieren. Anhand der Ergebnisse könnte ein genetisches Phantombild erstellt werden, welches dazu verwendet werden könnte, den gesuchten Tatverdächtigen unter der Bevölkerung zu finden.

Bislang war nur eine vergleichende DNA-Analyse von Spuren mit bekannten Verdächtigen erlaubt. Die gefundenen Spuren wurden also mit der DNA-Datenbank der Polizei oder den Spuren bekannter Personen (Verdächtige, Opfer, beteiligte Personen etc.) verglichen. Die Verwendung der DNA-Analyse für Spuren unbekannter Herkunft kann nun zu gravierenden Fehlinterpretationen führen – und die Polizei auf die falsche Spur locken. Aufgrund des vermeintlichen genetischen Musters könnte die Polizei ein Teil der Bevölkerung bspw. Osteuropäer mit blauen Augen in den engen Kreis der Verdächtigen ziehen und die restliche Bevölkerung von der Strafverfolgung ausschließen.

Polizeibeamten mit Bodycams und Verwendung von Drohnen

Die im neuen Polizeiaufgabengesetz vorgesehenen Maßnahmen wie Bodycams und Drohnen mögen dem Leser aus Actionfilmen bekannt vorkommen. Die Bodycams wurden bereits in einem Pilotprojekt von der Landespolizei in München, Augsburg und Rosenheim getestet. Ab Februar 2019 sollen die bayerischen Polizisten mit den handtellergroßen Körperkameras ausgestattet werden und polizeiliche Interventionen filmen können. Durch den Einsatz der Aufnahmegeräte verspricht man sich, dass etwaige Gewaltaktionen gegen Polizisten nachlassen. Geplant ist ebenfalls der Einsatz von Drohnen mit Kameras für geheime Überwachungsmissionen, um bspw. die private Wohnung eines Verdächtigen auszuspionieren.

Beide Maßnahmen sind höchst umstritten, weil mit deren Einsatz ein hohes Risiko der Verletzung von Grundfreiheiten einhergeht. Während mit den Drohnen Bilder aus dem Privatleben der Bürger gefertigt werden können, werden Bodycams völlig unschuldige Personen treffen.

Videoaufnahmen und Gesichtserkennung

In dem Gesetzesentwurf ist auch ein intelligentes Videosystem zur Muster- und Gesichtserkennung enthalten. Dieses neue System könnte automatisch die Bilder von Videoüberwachungsanlagen analysieren und bspw. die Gesichter von gesuchten Personen oder verdächtigem Gepäck, das auf einer Stationsplattform gelassen wurde, identifizieren. Auch hier kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch unbeteiligte Personen davon betroffen werden können.

Präventive Überwachung und Präventivhaft

Aus menschenrechtlicher Sicht erscheint die Ausweitung der polizeilichen Befugnisse bei drohender Gefahr bedenklich. Zusätzlichen Maßnahmen werden nicht mehr nur bei konkreten Gefahren, sondern nun auch zur Abwehr drohender Gefahren ermöglicht. Künftig wird die Polizei präventiv und verdeckt auf IT-Systeme und Cloud-Dienste zugreifen können, um Zugangsdaten und gespeicherte Daten zu erheben. Darüber hinaus soll es möglich sein, präventiv private Kommunikationsverbindungen (z.B. WhatsApp, Skype oder Telefonate) durch technische Mittel zu unterbrechen oder zu verhindern sowie Nachrichten zu verändern oder zu löschen. Ferner könnten die Polizeibeamten ohne richterliche Erlaubnis Postsendungen beschlagnahmen.

Auf viel Kritik stößt die Novelle wegen der vorgesehenen Präventivhaft. Bei drohenden Gefahren für bedeutende Rechtsgüter könnte die Polizei so genannten Gefährder präventiv bis zu drei Monate (statt bisher 14 Tage, in anderen Bundesländern nur zwei bis vier Tage) in Vorsorgehaft nehmen. Nach drei Monaten kann die Haft um weitere drei Monate verlängert werden: Personen können also, ohne jemals eine Straftat begangen zu haben, bis zum Beweis ihrer Unschuld inhaftiert werden.

Positiv zu erwähnen sind die gesetzlichen Vorschriften, die der Stärkung des Datenschutzes in Strafsachen dienen. In der Gesamtbetrachtung erzeugt der Gesetzesentwurf die Befürchtung, dass das Sicherheitsgefühl der Allgemeinheit auf Kosten der Freiheitsrechte des Einzelnen gesteigert wird. Es bleibt abzuwarten, wie es mit dem neuen Polizeiaufgabengesetz in Bayern weitergeht und ob weitere Bundesländer das Beispiel aus München folgen werden.



*Léo Portner hat an der Universität Neuchâtel (Schweiz) Rechtswissenschaften und an der Universität Lausanne (Schweiz) Kriminalwissenschaften mit Schwerpunkt Kriminologie studiert.