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Strafbarkeit durch Krankheit – Körperverletzungsdelikte durch Ansteckung mit dem Corona-Virus

Autoren: Rechtsanwältin Dr. Maria Miluscheva, Fachanwältin für Strafrecht, Tanja Stehberger, Rechtsreferendarin und Matthias Gutmann, juristischer Mitarbeiter



Maskentragen, strenge Blicke beim Husten und ständiges Desinfizieren der Hände – das Corona-Virus ist derzeit aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Auch der juristische Bereich ist stark davon betroffen. Während des Lockdowns wurden geplante Gerichtsverhandlungen aufgehoben, die „AHA-Formel“ findet in den Gerichtssälen und in den Kanzleien Anwendung etc. Der unvorsichtige Umgang mit dem Virus kann weitreichende strafrechtliche Folgen haben. In diesem Artikel werden die Körperverletzungsdelikte vorgestellt, welche verwirklicht werden können, wenn man an COVID-19 erkrankt ist und eine andere Person mit dem Virus ansteckt.

Vorsätzliche Körperverletzung, § 223 StGB

Voraussetzung einer Körperverletzung ist eine „körperliche Misshandlung“ oder eine „Gesundheitsschädigung“. Eine körperliche Misshandlung liegt vor, wenn durch die Ansteckung mit dem Corona-Virus eine andere Person Krankheitssymptome, wie beispielsweise Husten oder Fieber entwickelt. Es ist allgemein anerkannt, dass die Ansteckung eines anderen mit einer nicht ganz unerheblichen Krankheit eine Verschlechterung der Gesundheit darstellt. Der objektive Tatbestand der Körperverletzung wird bereits durch die bloße Infizierung als solche erfüllt, sofern diese den körperlichen Normalzustand des Opfers tiefgreifend verändert. Der Bundesgerichtshof hat sich hierzu im Jahre 1988 in der Entscheidung zum ungeschützten Geschlechtsverkehr trotz Kenntnis einer HIV-Infektion geäußert (BGH, Urt. v. 04.11.1988, Az.: 1 StR 262/88). Auf der subjektiven Seite ist für die Verwirklichung einer vorsätzlichen Körperverletzung erforderlich, dass mit Vorsatz gehandelt wird. Mit Vorsatz handelt, wer gerade beabsichtigt, eine andere Person anzustecken oder wer die Infizierung einer Person für möglich hält und diese billigend in Kauf nimmt. Wenn man also zunächst einmal erkennt oder es für möglich hält, dass man z.B. eine andere Person durch das Anspucken oder das Anhusten mit dem Virus anstecken kann, handelt vorsätzlich. Anders ist die Rechtslage, wenn jemand erkrankt ist, aber keine Symptome hat und von der Erkrankung keine Kenntnis hat. In diesem Fall scheidet die Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Körperverletzung an dem mangelnden Vorsatz.

Gemäß § 223 StGB wird eine vorsätzliche Körperverletzung mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.

Gefährliche Körperverletzung, § 224 StGB

Wer eine Körperverletzung mit einem solchen gesundheitsschädlichen Stoff begeht und dabei vorsätzlich handelt, wird gemäß § 224 StGB mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Die Corona-Viren sind als Krankheitserreger unter dem Merkmal der „anderen gesundheitsschädlichen Stoffe“ im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB einzustufen. Unter den sogenannten anderen gesundheitsschädlichen Stoffen solche zu verstehen, die auf mechanischen oder thermischen Wege wirken. Unter letzteren können Bakterien, Viren oder sonstige Krankheitserreger gezählt werden. Voraussetzung hierfür ist allerdings die tatsächliche Gesundheitsschädlichkeit des Virus, Bakterium oder Krankheitserregers. Die Substanz muss, um eine deutliche Abgrenzung zu § 223 zu erhalten, nach ihrer Art und dem konkreten Einsatz zu erheblichen Gesundheitsschädigungen geeignet sein. Die Symptome eines Krankheitsausbruchs des Corona-Virus können sein: Fieber, Trockener Husten, Müdigkeit, Gliederschmerzen, Halsschmerzen, Durchfall, Bindehautentzündung, Kopfschmerzen, Verlust des Geschmacks- oder Geruchssinns, Verfärbung an Fingern oder Zehen oder Hautausschlag, Atembeschwerden oder Kurzatmigkeit, Schmerzen oder Druckgefühl im Brustbereich, Verlust der Sprach- oder Bewegungsfähigkeit bis hin zu Tod. In Fällen, in denen die oben aufgeführten Symptome ausbrechen, ist eine erhebliche Gesundheitsbeschädigung zu bejahen. Da sich das Qualifikationsmerkmal des § 224 StGB I Nr. 1 als konkretes Gefährdungsdelikt versteht, müssen diese Symptome jedoch nicht ausbrechen. Die konkrete Gefahr, die das Virus für seinen Wirt birgt, reicht aus, um die Gesundheitsschädlichkeit zu bejahen.



Das Corona-Virus als ein anderer gesundheitsschädlicher Stoff im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB wird beigebracht, wenn das Virus in den Körper des anderen gelangen kann, um dort seine Wirkung zu entfalten. Die Tathandlung des „Beibringens“ ist bei Virusübertragungen beispielsweise möglich durch Einatmenlassen oder Auftragen auf die Haut. Der Hauptübertragungsweg für SARS-CoV-2 ist die respiratorische Aufnahme virushaltiger Flüssigkeitspartikel, die beim Atmen, Husten, Sprechen und Niesen entstehen. Diese virushaltigen Flüssigkeitspartikel sind als Aerosole im Speichel enthalten. Beim Sprechen und insbesondere Schreien werden Aerosole ausgestoßen, die den Virus enthalten und in den Körper des Gegenübers geraten. Durch das Anspucken könnte das Virus auf die Gesichtshaut eines anderen aufgetragen werden und in seine Atemwege gelangen. Auch z. B. durch das Anschreien aus geringer Distanz ins Gesicht eines anderen können virushaltige Aerosole und Tröpfchen versprüht werden, sodass die Einatmung beziehungswiese Aufnahme des Virus unausweichlich ist.

Fahrlässige Körperverletzung, § 229 StGB

Eine Strafbarkeit ist eventuell auch möglich, wenn man selbst noch gar nicht sicher weiß, dass man sich mit dem Corona-Virus infiziert hat. In einem solchen Fall ist eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung gemäß § 229 StGB denkbar. Für eine solche fahrlässige Körperverletzung ist es wie bei der vorsätzlichen Körperverletzung erforderlich, dass eine „körperliche Misshandlung“ oder „Gesundheitsschädigung“ gegeben ist. Allerdings muss diese im Falle der fahrlässigen Körperverletzung nicht vorsätzlich hervorgerufen werden, sondern vielmehr fahrlässig. Fahrlässiges Handeln setzt voraus, dass Sorgfaltsstandards, wie z.B. bestimmte Verhaltensregeln missachtet werden, die ein Durchschnittsbürger in der gleichen Situation befolgt hätte. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn man aufgrund von engem Kontakt zu einer anderen infizierten Person von einer eigenen Ansteckung ausgehen müsste, jedoch trotzdem Kontakt mit anderen Personen hat, die sich in Folge dessen anstecken.

Wer eine solche fahrlässige Körperverletzung begeht, wird gemäß § 229 StGB mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft.

Strafbarkeit bei tödlichem Verlauf

Auch ist es denkbar, dass eine Erkrankung mit dem Corona-Virus einen tödlichen Verlauf nimmt, vor allem wenn ältere Personen oder Personen aus sonstigen Risikogruppen angesteckt werden. In einem solchen Fall ist eine Strafbarkeit wegen Totschlag gemäß § 212 StGB denkbar, wenn vorsätzlich gehandelt wurde. Hier ist eine Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren vorgesehen. Unter Umständen ist in einem solchen Fall sogar ein Mordmerkmal erfüllt, wodurch sich eine Strafbarkeit wegen Mordes, § 211 StGB ergibt. Als Mordmerkmal kommt insbesondere das Merkmal der Heimtücke in Betracht. Damit dieses Mordmerkmal erfüllt ist, muss jedoch Arglosigkeit beim Opfer vorliegen. Dies lässt sich in der aktuellen Situation allerdings wohl schwer bejahen, da die Gefährdungslage im Hinblick des Corona-Virus allgemein bekannt ist. Als Strafe für die Begehung eines Mordes sieht das Gesetz eine lebenslange Freiheitsstrafe vor. Fehlt es an Vorsatz, so ist bei Vorliegen von Fahrlässigkeit eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung gemäß § 222 StGB denkbar. Dafür stellt § 222 StGB einen Strafrahmen von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren auf.

Zuletzt ist noch die Verwirklichung einer Körperverletzung mit Todesfolge gemäß § 227 StGB möglich. Dies ist dann der Fall, wenn ein vorsätzliches Handeln bezüglich einer Körperverletzung gegeben ist, jedoch nicht hinsichtlich des tödlichen Verlaufs. Der Strafrahmen beläuft sich hier auf Freiheitsstrafe von drei bis zu fünfzehn Jahren.

Verhaltensempfehlungen

Im Mittelpunkt steht die AHA-Formel – das heißt: Abstand halten, Hygiene beachten und Alltagsmaske (Mund-Nasen-Bedeckung) tragen. Durch das Tragen eines Mundnasenschutzes soll die Verbreitung der Corona-Viren über die Luft eingedämmt werden. Husten und Niesen sollen in die Armbeuge oder in ein Taschentuch erfolgen. Das regelmäßige Waschen bzw. Desinfizieren der Hände gehört ebenfalls zu den empfohlenen Hygienemaßnahmen. Achten Sie auf behördliche Maßnahmen und Platzverweise.

Unser anwaltlicher Rat

Bei Krankheitszeichen, die auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 hindeuten können, bleiben Sie zu Hause und schränken Sie auch dort direkte Kontakte ein, insbesondere zu Personen, die zu einer Risikogruppe gehören. Holen Sie sich ärztlichen Rat und folgen Sie den ärztlichen Anweisungen. Falls Ihnen seitens der Strafverfolgungsbehörde vorgeworfen wird, eine andere Person mit dem Corona-Virus infiziert zu haben, lassen Sie sich anwaltlich beraten, bevor Sie sich zur Sache äußern. Hier gilt das Sprichwort: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.