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Rechte des Verletzten beim Unfall im Straßenverkehr

Autor: Rechtsanwalt Peter Alicke, Tätigkeitsschwerpunkte: allgemeines Zivilrecht und Schadensersatzrecht



Wenn Sie unverschuldet in einen Verkehrsunfall geraten sind und Ihr Fahrzeug beschädigt oder zerstört wurde, Sie verletzt wurden oder gar Angehörige getötet wurden, stehen Sie als Betroffener häufig einer Vielzahl von Problemen und vielen Fragestellungen gegenüber. Wer bezahlt meinen Schaden? Steht mir Schmerzensgeld zu? Welche Rechte habe ich, wenn ein Angehöriger getötet wurde?

Dieser Artikel soll Ihnen einen Überblick verschaffen, wenn Sie Opfer eines Verkehrsunfalles geworden sind. Sie sollten sich in diesem Fall nicht scheuen, uns telefonisch oder per Email zu kontaktieren. Wir können Ihnen eine erste Einschätzung zu Ihrem Sachverhalt geben. Wenn Sie Geschädigter des Unfalls sind- sprich es trifft Sie keine (Mit-)Schuld an dem Verkehrsunfall, so ist der Unfallverursacher (bzw. seine Kfz-haftpflichtversicherung) grundsätzlich verpflichtet, auch Ihre Anwaltskosten zu tragen. Doch dazu mehr im Artikel.

Wer haftet für Schäden?

Grundsätzlich hat derjenige, der vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, dem anderen den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen, § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

Kommt es zu einer derartigen Verletzung bei dem Betrieb eines Kfz, so trifft § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) eine Sonderregelung dahingehend, dass der Halter des Kfz verpflichtet ist, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Daneben haftet der Fahrzeugführer nach § 18 Abs. 1 StVG. Gem. § 1 Pflichtversicherungsgesetz (PflVG) besteht zudem die Verpflichtung für den Halter eines Kfz, für sich, den Eigentümer und den Fahrer eine Haftpflichtversicherung zur Deckung der Schäden, die Dritten entstehen, abzuschließen.

Nach § 115 VVG können die Schadensersatzansprüche direkt gegen den Versicherer geltend gemacht werden. In der Praxis ist die übliche Vorgehensweise, die Ansprüche direkt gegen die Versicherung geltend zu machen. Wenn Sie uns die Daten des Unfallgegners zur Verfügung stellen, insbesondere Name und Kfz-Kennzeichen, können wir die Versicherung ausfindig machen und Ihre Ansprüche direkt gegenüber der Versicherung geltend machen.

Welche Schäden kann man ersetzt verlangen?

Zusammengefasst sind folgende Schäden grundsätzlich ersatzfähig:

  • Ersatz der Reparaturkosten des Kfz (fiktive oder konkrete Schadensberechnung)
  • Weitere Schäden im Zusammenhang mit Kfz: z. B. Abschleppkosten etc.
  • Mietwagen und Nutzungsausfallentschädigung
  • Wertminderung Ihres Kfz
  • Unkostenpauschale
  • Kosten der Schadenfeststellung (Sachverständiger, Kostenvoranschlag)
  • Heilbehandlungskosten
  • Aufwendungen (Fahrtkosten, Betreuungskosten für Kinderbetreuung)
  • Schmerzensgeld
  • Ausfall der Arbeitskraft: Verdienstausfall und Haushaltsführungsschaden
  • Kosten der Rechtsverfolgung


Umfang der Schadensersatzansprüche

Grundsätzlich hat der Unfallverursacher den Zustand wiederherzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre, § 249 Abs. 1 BGB. Sie müssen also grundsätzlich nach dem Unfall die Leistungen erhalten, die den Zustand bewirken, der ohne Unfall bestehen würde. Da in aller Regel der Unfallverursacher das Fahrzeug nicht selbst reparieren kann und Ihnen auch kein Ersatzfahrzeug zur Verfügung stellen kann, schuldet er den hierzu erforderlichen Geldbetrag, § 249 Abs. 2 S. 1 BGB.

  • Reparaturkosten

    Umfasst sind insbesondere die Reparaturkosten. Sie können ihr Fahrzeug reparieren lassen und die hierfür angefallenen Kosten ersetzt verlangen. Je nach den Umständen Ihres Falles besteht auch die Möglichkeit, dass Sie sich den entstandenen Schaden ausbezahlen lassen und Ihr Fahrzeug nicht reparieren oder es selbst reparieren bzw. eine günstigere Reparatur in einer freien Werkstatt durchführen zu lassen. In diesem Fall ergibt sich der Schaden, der Ihnen ersetzt werden muss, in der Regel aus einem Sachverständigengutachten.

    Zu ersetzen ist auch die Wertminderung, die Ihr Fahrzeug aufgrund des Unfalls erleidet. Die Wertminderung wird regelmäßig in dem Sachverständigengutachten bestimmt.

  • Kfz wurde zerstört

    Etwas anderes gilt, wenn Ihr Fahrzeug bei dem Unfall vollständig zerstört wurde. Zu ersetzen sind in diesem Fall grundsätzlich die Kosten der Wiederbeschaffung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeugs. Von einer Zerstörung des Fahrzeugs spricht man grundsätzlich auch in folgenden Fällen:

    • Die Reparatur des Fahrzeugs ist technisch nicht möglich oder gewährleistet keine Betriebssicherheit. (technischer Totalschaden)
    • Die Reparatur ist unwirtschaftlich, weil die Kosten der Reparatur 130 % des Fahrzeugwerts vor dem Unfall übersteigen.
    • Die Reparatur ist dem Geschädigten unzumutbar. Dies kann insbesondere bei Neuwagen der Fall sein, wenn das Fahrzeug erhebliche Schäden erlitten hat.

  • Mehrwertsteuer

    Die Mehrwertsteuer hat der Unfallverursacher bzw. seine Versicherung nur zu ersetzen, soweit sie tatsächlich angefallen ist, d.h. also, soweit das Fahrzeug tatsächlich repariert wurde oder ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug angeschafft wurde.

  • Miete eines Ersatzfahrzeugs oder Nutzungsausfallentschädigung

    Als Geschädigter haben Sie, wenn Sie Ihr Fahrzeug aufgrund eines Unfalls nicht nutzen können, grundsätzlich die Möglichkeit, ein Ersatzfahrzeug zu mieten und die Kosten hierfür vom Unfallverursacher ersetzt zu verlangen.

    Doch auch für den Fall, dass sie auf die Anmietung eines Ersatzwagens verzichten, können Sie einen Schaden geltend machen, wenn Sie Ihr Fahrzeug aufgrund des Unfalls nicht nutzen können. In der Praxis wird diese sogenannte Nutzungsausfallentschädigung anhand von Tabellen bemessen, wobei Ihnen pro Tag des Ausfalls des Fahrzeugs ein bestimmter Betrag je nach Fahrzeugklasse zusteht.

  • Unkostenpauschale

    Die Rechtsprechung geht davon aus, dass im Rahmen der Schadensabwicklung stets u.a. Porto,- Telefon,- und Fahrtkosten anfallen. Aus praktischen Gründen steht daher jedem Geschädigten ein pauschaler Betrag zum Ausgleich dieser Kosten zu. Die Höhe dieses Betrages wird von den Gerichten unterschiedlich bewertet, liegt jedoch regelmäßig zwischen 20,00 € und 30,00 €.


  • Sachverständigenkosten

    Der Unfallverursacher hat Ihnen zudem die Kosten für einen Sachverständigen zu ersetzen, soweit die Einholung eines Gutachtens zweckmäßig und erforderlich ist. Dies ist regelmäßig der Fall, da der Geschädigte als Laie nicht in der Lage ist, den Schaden zu beziffern. Grundsätzlich können Sie dabei selbst einen Sachverständigen aussuchen und müssen sich nicht von der gegnerischen Versicherung auf einen Sachverständigen verweisen lassen.

    Eine Ausnahme besteht nur, wenn es sich offensichtlich um einen sehr geringen (Bagatell-)Schaden handelt. In diesem Fall erachtet die Rechtsprechung ein Gutachten als nicht erforderlich. Der BGH hat die Grenze einst bei Reparaturkosten von ca. 700,00 € brutto gezogen. In der amtsgerichtlichen Rechtsprechung variiert die Grenze jedoch auf bis zu 1.300,00 €. Es empfiehlt sich daher, in diesen Fällen einen kostenfreien oder jedenfalls im Vergleich zum Gutachten günstigeren Kostenvoranschlag einzuholen.

  • Rechtsanwaltskosten

    Der Schädiger ist grundsätzlich auch verpflichtet, die Ihnen durch die Rechtsverfolgung entstandenen Schäden zu ersetzen. So sind auch die Kosten Ihres Rechtsanwalts seitens des Unfallverursachers zu bezahlen, wenn die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts erforderlich und zweckmäßig war. Wie Sie bereits aus der Vielzahl der oben genannten möglichen Schadenspositionen erkennen können, gilt es bei einem Verkehrsunfall eine Vielzahl an Dingen zu beachten. Dabei stehen Sie regelmäßig einem Haftpflichtversicherer gegenüber, für den die Schadenregulierung Tagesgeschäft ist und der daher einen erheblichen Wissensvorsprung hat. Um hier eine „Waffengleichheit“ herzustellen, erkennt die Rechtsprechung bei Verkehrsunfällen die Beauftragung eines Rechtsanwalts grundsätzlich als erforderlich an. Sie sind also gut beraten, als Geschädigter sich nicht darauf zu verlassen, die gegnerische Haftpflichtversicherung „werde schon korrekt abrechnen“. Die anwaltliche Praxis zeigt, dass zum Teil unrechtmäßige Abzüge erfolgen. Zudem ist im Einzelnen vieles streitig und auch nicht sicher, ob in gerade Ihrem Einzelfall ein Anspruch besteht. Hier können Sie mit Hilfe anwaltlicher Beratung entscheiden, ob ein außergerichtliches oder gerichtliches Vorgehen hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

Ansprüche bei Personenschaden

Sollte es bei dem Unfall nicht nur zu einem Sachschaden gekommen sein, sondern sollten Sie oder Mitfahrer auch verletzt worden sein, so stehen Ihnen weitere Ansprüche zu:

  • Heilbehandlungskosten, Aufwendungen für Kinderbetreuung etc.

    Grundsätzlich zu ersetzen sind die Kosten der Heilbehandlung. Da diese jedoch regelmäßig von einem Sozialversicherungsträger oder einer Versicherung getragen werden, gehen die Forderungen gegen den Schädiger auf diese über, vgl. § 116 Sozialgesetzbuch X (SGB X) und § 86 (Versicherungsvertragsgesetz) VVG. Unter Umständen können aber auch Leistungen beansprucht werden, die über die gesetzliche Krankenversicherung hinausgehen, etwa weil mithilfe der gesetzlichen Krankenversicherung nur eine unzureichende Heilbehandlung möglich ist.

    Im Einzelfall zu ersetzen sind dabei auch die eigenen Fahrtkosten zum Arzt, sowie auch Fahrtkosten naher Angehöriger für Krankenhausbesuche oder Kosten für einen Babysitter.

  • Verdienstausfall, Haushaltsführungsschaden

    Können Sie zudem aufgrund einer bei dem Unfall erlittenen Verletzung Ihrer Arbeit nicht nachgehen und haben dadurch konkreten Verdienstausfall, so ist auch dieser Schaden zu ersetzen. Bei Selbstständigen kann Schadensersatz für den entgangenen Gewinn verlangt werden.

    Auch diese Ansprüche gegen den Schädiger gehen aber gegebenenfalls auf Dritte über, wenn Sie etwa Leistungen der Krankenkasse mit Lohnersatzfunktion erhalten. Der Schädiger hat auch den sogenannten Haushaltsführungsschaden zu ersetzen. Dieser entsteht, wenn Sie als Verletzte Person infolge der Verletzung keine Hausarbeit mehr verrichten können und diese innerhalb Ihrer Ehe Ihren Unterhaltsbeitrag darstellt.

  • Schmerzensgeld

    Letztlich kann Ihnen auch ein Anspruch auf ein angemessenes Schmerzensgeld entstehen. Dieser dient als Ausgleich für die erlittenen Schmerzen und Leiden. Die genaue Bezifferung ist im Einzelnen schwierig. In Deutschland werden im Vergleich zu vielen anderen Ländern die Schmerzensgeldbeträge vergleichsweise gering gehalten. In der Praxis wird sich überwiegend an bereits ergangenen gerichtlichen Entscheidungen orientiert, in denen die Betroffenen vergleichbare Verletzungen erlitten haben. Das Gericht hat das Schmerzensgeld letztlich zu schätzen, wobei insbesondere die erlittenen Verletzungen und Schmerzen zu berücksichtigen sind, sowie der Grad des Verschuldens des Unfallverursachers.

Rechte der Hinterbliebenen bei Unfall mit Todesfolge

Leider kommt es bei Verkehrsunfällen unverändert häufig dazu, dass ein Beteiligter ums Leben kommt.

Als Angehörigem der verstorbenen Person stehen Ihnen verschiedene Schadensersatzansprüche zu. Zu nennen seien etwa der Ersatz der Beerdigungskosten und der Schäden, die dadurch entstehen, dass Ihnen Unterhalt aufgrund des Todes Ihres Ehegatten oder Ihres Elternteils entgeht.

Erst seit wenigen Jahren gibt es in Deutschland darüber hinaus ein sogenanntes Hinterbliebenengeld. Standen Sie zu der verstorbenen Person in einem besonderen Näheverhältnis und haben aufgrund des Todes seelisches Leid erfahren, so steht Ihnen eine Entschädigung zu. Die Höhe ist im Einzelnen noch sehr umstritten und es gibt bisher nur wenig Rechtsprechung hierzu. Letztlich ist auch die Höhe dieser Entschädigung vom Einzelfall abhängig. Sie dürfte sich aber in einem Rahmen von 5.000,00 € bis 15.000,00 € bewegen, je nach Näheverhältnis.

Wenn Sie durch den Tod Ihres Angehörigen eine derart tiefe Trauer erleiden, dass sie sich bereits als medizinisch fassbare Gesundheitsbeeinträchtigung darstellt, so ist es möglich, dass Ihnen ein Schmerzensgeld wegen dieses sogenannten „Schockschadens“ zusteht, das über die oben genannten Beträge hinaus geht.

Wenn Sie zudem Erbe des Verstorbenen sind, stehen Ihnen auch Schadensersatzansprüche bezüglich des bei dem Unfall gefahrenen Kfz zu, sowie gegebenenfalls ein Schmerzensgeldanspruch des Verstorbenen, wenn dieser aufgrund des Unfalls bis zu seinem Tode einen längeren Zeitraum Schmerzen durchleiden musste.

Unser anwaltlicher Rat

Sie sehen also, dass in jedem Falle einige Aspekte zu beachten sind, die sich zudem noch in jedem Einzelfall unterscheiden können. Da jedenfalls bei alleiniger Schuld des Unfallverursachers auch Ihre Rechtsanwaltskosten von der gegnerischen Versicherung zu tragen sind, sollten Sie im Schadensfall nicht den Gang zum Anwalt scheuen. Bedenkt man zusätzlich, dass im Einzelnen viele Punkte auch in der Rechtsprechung nach wie vor unterschiedlich bewertet werden und umstritten sind, sollten Sie sich nicht allein auf den gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherer verlassen. Auch wenn dies in vielen Fällen so sein mag, kommt es häufig vor, dass Versicherungen Schäden geringer bewerten als neutrale Gutachter oder Schadensposten gänzlich streichen. Vor allem in Fällen mit Personenschäden ist anwaltlicher Rat unumgänglich, da insbesondere hinsichtlich des Schmerzensgeldes umfangreiche Rechtsprechung zu beachten ist.

Die Korrespondenz mit der Versicherung kann sich in solchen Fällen für Sie als durchaus lästig erweisen. Wir kennen die Ihnen zustehenden Rechte und können Einwendungen der Versicherung auf deren Stichhaltigkeit prüfen. Selbstverständlich verhelfen wir Ihnen – wenn es erforderlich wird – auch vor Gericht zu Ihrem Recht.