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Die Vermögensabschöpfung in der Praxis
Autorinnen: Rechtsanwältin Dr. Maria Miluscheva, Fachanwältin für Strafrecht und Rechtsreferendarin Cheyenne Blum (Anwaltsstation)
Unter dem Motto „Verbrechen darf sich nicht lohnen“ werden die Möglichkeiten der Vermögensabschöpfung in der Justiz maximiert. Das Instrumentarium der Vermögensabschöpfung wird von Gerichten, Staatsanwaltschaften und Polizei häufig und konsequent angewandt, um so im einzelnen Fall das vom Gesetzgeber verfolgte kriminalpolitische Ziel einer vollständigen Vermögensabschöpfung zu erreichen. Jedes strafrechtliches Verfahren mit einem Vermögensschaden birgt die Gefahr von finanziellen Folgen neben der strafrechtlichen Sanktion. Die Fragen der Einziehung von Taterträgen, Tatprodukten, Tatmitteln etc. werden bei unserer Tätigkeit selbstverständlich mitberücksichtigt. Unsere Mandanten erhalten von Anfang an ausführliche Informationen über die möglichen Folgen der Einziehung, wobei wir stets bemüht sind, ihnen dabei zu helfen, die finanziellen Folgen, wenn möglich, zu minimieren.
Sicherung der Einziehung
Um zu verhindern, dass der Täter oder Teilnehmer im Voraus die der Einziehung unterliegenden Gegenstände „beiseiteschafft“, kann vorsorglich die Beschlagnahme der betroffenen Gegenstände nach § 111b StPO angeordnet werden.
Zur Sicherung der Einziehung des Wertersatzes kann zudem gemäß § 111e StPO der vorläufige Vermögensarrest angeordnet werden, der nach § 111f StPO beispielsweise durch Pfändung einer Forderung erfolgt. Auf Grundlage eines solchen Vermögensarrestes kann insbesondere auch eine Kontopfändung angeordnet werden. Auch virtuelle Zahlungsmitteln wie Bitcoins können gepfändet werden.
Anordnung der Einziehung
Die endgültige Einziehung wird erst im Urteil ausgesprochen. Auch die Einziehung gegenüber anderen Personen wird im Rahmen des Strafverfahrens gegen den Täter oder Teilnehmer angeordnet – der Dritte ist insoweit Einziehungsbeteiligter i. S. d. § 424 Abs. 1 StPO. Bereits in dem Zeitraum zwischen Einziehungsanordnung und Rechtskraft der Entscheidung ist es den Einziehungsbetroffenen nach § 75 Abs. 3 StGB verboten, die sich noch in ihrem Besitz befindlichen Einziehungsgegenstände zu veräußern. Sobald das Urteil rechtskräftig ist, wird der Staat automatisch Eigentümer der Einziehungsgegenstände, § 75 Abs. 1 StGB – ab diesem Zeitpunkt sind die Einziehungsbetroffenen endgültig nicht mehr zur Verfügung über die Gegenstände berechtigt, insbesondere dürfen sie diese nicht mehr ohne Zustimmung des Staates veräußern.
Nach § 459g Abs. 1 StPO wird die Anordnung der Einziehung von beweglichen und unbeweglichen Sachen dadurch vollstreckt, dass die Sache demjenigen, gegen den sich die Anordnung richtet, weggenommen wird. Sofern eine dritte Person Besitzer der Sache ist, wird diese zur Herausgabe aufgefordert.
Vollstreckung von Einziehungsentscheidungen
Für die Vollstreckung von Nebenfolgen, die zu einer Geldzahlung verpflichten – namentlich hier die Anordnung der Einziehung von Wertersatz nach den §§ 73c, 74c StGB – gilt gemäß § 459g Abs. 2 StPO die Besonderheit, dass diese wie Geldstrafen vollstreckt werden. Sollte der Betroffene den Einziehungsbetrag nicht aufbringen können, kommt im Gegensatz zu einer Geldstrafe jedoch nicht die Anordnung von Ersatzfreiheitstrafe in Betracht, da es sich bei der Einziehung nur um eine Nebenfolge handelt und ihr gerade kein Strafcharakter innewohnt. In solchen Fällen können stattdessen nach § 459a StPO Zahlungserleichterungen, namentlich Ratenzahlung oder Stundung, bewilligt werden.
Lesenswerte Entscheidungen
Im Nachfolgenden werden noch einige lesenswerte Entscheidungen aus der Rechtsprechung des BGH zur Einziehung dargestellt.
BGH, Urt. v. 28.8.2018 – 1 StR 103/18, NStZ-RR 2018, 335 – Einziehung trotz Versicherungsleistung
Aus der Entscheidung geht hervor, dass eine Einziehung auch dann in Betracht kommt, wenn der Geschädigte, etwa das Opfer eines Diebstahls, durch seine Versicherung den Entwendungs-schaden ersetzt bekommen hat. Denn durch die Ersatzleistung sind die Rückgewähransprüche des Verletzten gerade nicht i.S.d. § 73e Abs. 1 StGB erloschen, sondern vielmehr gemäß § 86 Abs. 1 S. 1 VVG auf den Versicherer übergegangen, der nunmehr als Verletzter anzusehen ist. Der Täter wird hierdurch gerade nicht doppelt belastet.
BGH, Beschluss vom 27.3.2019 – 2 StR 561/18, NJW 2019, 2182 – Grenzen der Einziehung – „Wechselgeld“ als Tatmittel oder Tatobjekt
Die Entscheidung betrifft den Fall des Geldwechsels im Rahmen von Betäubungsmittelgeschäften. Der BGH hat insoweit festgestellt, dass es für eine Mitverfügungsbefugnis am Tatertrag nicht ausreicht, wenn der Täter Geldscheine in „kleiner“ Stückelung aus einem vorherigen Betäubungsmittelgeschäft eines anderen Tatbeteiligten gegen Geldscheine in „großer“ Stückelung wechselt, um hierdurch den Ankauf neuer Betäubungsmittel zu ermöglichen. Es liegt gerade kein Erlangen „durch“ bzw. „für“ die Tat vor, sodass es sich nicht um einen Tatertrag i.S.d. § 73 StGB handelt, sondern nur ein Tatmittel bzw. –objekt des nachfolgenden fremden Drogenankaufs darstellt. Doch auch eine Einziehung nach §§ 74, 74c StGB kommt nicht in Betracht, da der Täter zum Entscheidungszeitpunkt weder Eigentümer der Geldscheine war noch die Einziehung durch die planmäßige Rückgabe der gewechselten Geldscheine vereitelt hat.
BGH, Beschl. v. 10.6.2020 − 3 StR 37/20, NStZ 2021, 557 – Einziehung des Wertes von Betäubungsmitteln
In der Entscheidung stellt der BGH klar, dass zum Eigenverbrauch im Inland erworbene Betäubungsmittel nicht der Einziehung nach §§ 73, 73c StGB unterliegen. Betäubungsmittel stellen zwar Tatobjekte i.S.d. § 33 S. 1 BtMG bzw. § 74 Abs. 2 StGB dar, jedoch scheidet auch eine Einziehung über die genannten Vorschriften (bzw. eine Einziehung des Wertes gemäß § 74c Abs. 1 StGB) aus, da hierfür nach § 74 Abs. 3 S. 1 StGB stets Voraussetzung ist, dass die Tatobjekte dem Täter gehören oder zustehen. An illegalen Betäubungsmitteln kann jedoch wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB von vornherein nicht Eigentum wirksam erworben werden.
Demgegenüber hat der BGH angemerkt, dass bei im Ausland erworbenen Betäubungsmitteln ein Eigentumserwerb und damit auch eine Wertersatzeinziehung nach § 74c StGB bei entsprechenden Feststellungen in Betracht kommt.
BGH, Beschl. v. 14.10.2020 − 5 StR 229/19, NStZ 2021, 355 – Einziehung bei Marktmanipulation
Der BGH beschäftigt sich in der o.g. Entscheidung mit der Bestimmung des erlangten Etwas i.S.d. § 73 StGB in den Fällen der Marktmanipulation. Demnach ist zwischen den verschiedenen Tatbestandsvarianten zu differenzieren und genau zu überprüfen, ob die Tat jeweils kausal für einen messbaren Vermögensvorteil beim Täter oder einem Dritte war.
Bei informations- und handlungsgestützten Manipulationen ist daher auf eine durch die strafbare Einwirkung auf den Aktienpreis eingetretene Wertsteigerung der gehaltenen Aktien und nicht auf den Erlös aus einem nachfolgenden (nicht mehr unmittelbar kausalen) Verkauf abzustellen. Demgegenüber ist bei handelsgestützten Manipulationen der Verkaufserlös einzuziehen, da dieser hier gerade kausal auf der strafbaren Manipulationshandlung, dem abgesprochenen Eigenverkauf, beruht.
BGH, Beschl. v. 02.03.2021 – 4 StR 366/20, NZV 2021, 471 mAm – Voraussetzungen der Sicherungseinziehung eines Kraftfahrzeuges
Die Entscheidung betrifft den Fall, dass der Angeklagte wegen mehrerer Straßenverkehrsdelikte verurteilt und die Einziehung eines im Eigentum eines Dritten stehenden Fahrzeugs angeordnet wurde.
Nach § 74b Var. 3 Nr. 2 StGB ist die Sicherungseinziehung von Gegenständen Dritter nur möglich, wenn die Gefahr besteht, dass sie der Begehung rechtswidriger Taten dienen werden. Der BGH hat insoweit festgestellt, dass solche Gegenstände nur Tatprodukte, -mittel oder -objekte i.S.d. § 74 StGB sind, d.h. mittels des betroffenen Gegenstandes muss eine ausgeurteilte vorsätzliche rechtswidrige Tat durch den Täter begangen worden sein.
Demnach ist es etwa nicht möglich, Fahrzeuge bei Dritten einzuziehen, wenn das konkrete Kfz nicht durch den Täter zur Begehung eines Straßenverkehrsdelikts verwendet wurde. Es bedarf stets eines konkreten Bezuges zu einer bereits begangenen rechtswidrigen Straftat, eine generelle Einziehung aller potenziell gefährlichen Gegenstände scheidet hingegen aus.
BGH, Urt. v. 28.7.2021 – 1 StR 519/20, DStR 2021, 2453 – Tatbestandserfüllung der Steuerhinterziehung bei Cum-Ex-Geschäften; Einziehung von Taterträgen trotz steuerlicher Zahlungsverjährung
Die Entscheidung beschäftigt sich mit der Strafbarkeit der Cum-Ex-Geschäfte als Steuer-hinterziehung. In diesem Zusammenhang hat der BGH festgestellt, dass auch ein etwaig verjährungsbedingtes Erlöschen der Rückzahlungsansprüche des Fiskus einer strafrechtlichen Einziehung wegen § 73 Abs. 1 S. 2 StGB i.V.m. Art. 316j Nr. 1 EGStGB gerade nicht entgegensteht. Denn vorliegend wurden in großem Ausmaß Steuern verkürzt bzw. nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt, die Taten wurden vor dem 29.12.2020 begangen und über die Einziehungsanordnung wurde erst nach diesem Zeitpunkt entschieden.