Infothek

Die Europäische Staatsanwaltschaft im Überblick

Autorin: Rechtsreferendarin Cheyenne Blum (Anwaltsstation)



Bei der Europäischen Staatsanwaltschaft (nachfolgend: EUStA) handelt es sich um eine Strafverfolgungsbehörde der EU mit Sitz in Luxemburg. Die EUStA wird gegenwärtig von der Europäischen Generalstaatsanwältin Laura Codruţa Kövesi geleitet, einer ihrer Stellvertreter ist der Deutsche Andrés Ritter. Die Errichtung der EUStA wurde zwar bereits 2013 durch die Kommission vorgeschlagen und 2017 per EU-Verordnung (nachfolgend: EUStA-VO) im Rahmen einer sog. Verstärkten Zusammenarbeit beschlossen, tätig wird sie jedoch erst seit Juni 2021. An der EUStA sind 22 EU-Mitgliedsstaaten beteiligt, darunter Deutschland und Bulgarien.

Organisationsstruktur der europäischen Staatsanwaltschaft

Der Aufbau der EUStA ist zweistufig ausgestaltet, Art. 8 EUStA-VO. Auf zentraler EU-Ebene ist die EUStA vor allem für die Koordinierung und Aufsicht durchzuführender Strafverfolgungsverfahren zuständig. Zudem gibt es in jedem teilnehmenden Mitgliedsstaat sog. Delegierte Europäische Staatsanwälte, die auf dezentraler nationaler Ebene die Durchführung der Strafverfahren mit nationalen Ressourcen und anhand innerstaatlichen Rechts gewährleisten.

Die EUStA ist dabei eine eigenständige unabhängige Behörde, die weder den Weisungen der EU noch denen der nationalen Behörden untersteht, Art. 6 Abs. 1 EUStA-VO. Wenn der Verdacht besteht, dass Straftaten im Kompetenzbereich der EUStA verübt wurden, so dürfen die nationalen Behörden nun nicht mehr selbst (weiter-)ermitteln, sondern müssen die EUStA unverzüglich hierüber informieren, Art. 24 Abs. 1, Abs. 2 EUStA-VO. Die Ermittlungen werden sodann ausschließlich von der EUStA geführt, die nationalen Behörden unterstützen diese lediglich bei ihrer Tätigkeit.

Strafverfolgungsbehörde für grenzüberschreitende Maßnahmen

Vor Einführung der EUStA war es den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten zwar auch möglich, Straftaten zulasten des EU-Haushalts strafrechtlich zu ahnden. Problematisch war hierbei jedoch, dass die nationalen Strafverfolgungsbehörden gerade nicht grenzüberschreitend tätig werden konnten und demnach auf Rechtshilfeersuchen bei den Behörden der anderen Mitgliedsstaaten angewiesen waren, wenn sie etwa in einem anderen Land eine Durchsuchung durchführen lassen wollten. Dies verkomplizierte oft die Ermittlungen und führte zu Verfahrensverzögerungen.

Mit Errichtung der EUStA wird diese Problematik behoben, da diese grenzüberschreitend tätig werden darf. Die EUStA ist für die Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen in anderen Mitgliedstaaten nicht mehr darauf verwiesen, formell ein Rechtshilfeersuchen zu stellen, sondern kann unmittelbar dem Delegierten Europäischen Staatsanwalt des anderen Mitgliedsstaates die notwendigen Ermittlungsmaßnahmen direkt zuweisen, Art. 31, 32 EUStA-VO. Den Delegierten Europäischen Staatsanwälten kommen dabei die gleichen Befugnisse wie nationalen Staatsanwälten zu, Art. 13 Abs. 1 EUStA-VO. Hierdurch wird die Strafverfolgung insgesamt schneller und effektiver. Insbesondere kann auf diese Weise vermieden werden, dass in der Zwischenzeit die aus den Straftaten erzielten Gelder „beiseite geschafft“ und dadurch der Einziehung entzogen werden.



Kompetenzen der europäischen Staatsanwaltschaft

Aufgabe der EUStA ist die Bekämpfung von schweren Straftaten, insbesondere der Organisierten Kriminalität, zum Nachteil der finanziellen Interessen der EU, Art. 4 EUStA-VO. Allein im Jahr 2019 entstand der EU durch solche ein Schaden in Höhe von 460 Mio. EUR.

Von der EUStA werden Straftaten wie etwa Subventionsbetrug, Geldwäsche, Korruption und grenzüberschreitender Mehrwertsteuerbetrug verfolgt. Voraussetzung für ein Einschreiten der EUStA ist dabei, dass in Betrugsfällen ein Schaden in Höhe von mehr als 10.000 EUR bzw. bei Mehrwertsteuerbetrug von mehr als 10 Mio. EUR entstanden ist, Art. 22, 25 Abs. 2 EUStA-VO.

Im Zuge der COVID-19-Pandemie sind zudem Straftaten im Zusammenhang mit den EU-Corona-Hilfen in den Vordergrund gerückt. Der Corona-Aufbaufonds umfasst allein 750 Mrd. EUR. Aufgrund der existenzbedrohenden Umstände war es erforderlich, diese Gelder schnellstmöglich auszuzahlen, was betrügerisches Handeln begünstigte, da aufgrund der dringenden Lage keine umfangreichen Prüfungen vorab durchgeführt werden konnten. Allein in Deutschland sind auf nationaler Ebene in den vergangenen Monaten immer wieder Betrugsfälle im Hinblick auf die Beschaffung und Abrechnung von Masken, Tests und Impfungen bekannt geworden.

Welche Verfahrensordnung wird in Verfahren der EUStA angewendet?

Sobald die EUStA in einer Angelegenheit tätig wird, ermittelt ausschließlich diese. Es findet daneben kein weiteres Ermittlungsverfahren auf nationaler Ebene statt, Art. 25 Abs. 1 EUStA-VO. Nach Art. 26 Abs. 4 EUStA-VO ist grundsätzlich der Delegierte Europäische Staatsanwalt des Mitgliedstaates für die Einleitung des Ermittlungsverfahrens zuständig, in dem der Schwerpunkt der strafbaren Handlung liegt. Wenn das Strafrecht mehrerer Mitgliedsstaaten betroffen ist, ist regelmäßig der Delegierte Europäische Staatsanwalt des Mitgliedstaates für die Durchführung des Ermittlungsverfahrens zuständig, in dem der Großteil der Straftaten verübt wurde, wovon jedoch in begründeten Fällen abgewichen werden kann. Bei den Ermittlungen der Delegierten Europäischen Staatsanwälte legen diese die EUStA-VO sowie subsidiär das Verfahrensrecht des jeweiligen Mitgliedstaates zugrunde, Art. 5 Abs. 3 EUStA-VO. In Deutschland richtet sich das Strafverfahren mithin nach der StPO.

Welche Gerichte entscheiden über die von der EUStA geführten Verfahren?

Ein eigenes Gericht für die Verfahren der EUStA existiert hingegen nicht. Sofern sich aufgrund der Ermittlungen der EUStA ein hinreichender Tatverdacht ergibt, klagt diese die Tat vor den jeweils zuständigen nationalen Gerichten an. Sofern mehrere nationale Gerichte zuständig sind, etwa wenn in mehreren Mitgliedstaaten entsprechende Straftaten begangen wurden, wird grundsätzlich gemäß Art. 36 Abs. 3 EUStA-VO in dem Mitgliedstaat des betrauten Delegierten Europäischen Staatsanwalts Anklage erhoben, wovon jedoch bei hinreichenden Gründen abgewichen werden kann. Sobald der Mitgliedstaat der Anklageerhebung bestimmt ist, richtet sich das zuständige nationale Gericht nach nationalem Recht, Art. 36 Abs. 5 EUStA-VO.