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Zuständigkeit der Gerichte in Strafsachen

Autoren: Rechtsanwältin Dr. Maria Miluscheva, Fachanwältin für Strafrecht und Dobrin Petrov, Student der Rechtswissenschaften

Amtsgericht (AG)

Gemäß § 24 GVG ist das Amtsgericht u.a. zuständig, wenn keine höhere Strafe als vier Jahre Freiheitsstrafe zu erwarten ist.

Innerhalb des Amtsgerichts gibt es:

  • den Strafrichter als Einzelrichter (§ 25 GVG),
  • das Schöffengericht (§ 29 I StPO) und
  • das erweiterte Schöffengericht (§ 29 II StPO).

  1. Der Strafrichter als Einzelrichter entscheidet über die Sache, wenn ein Vergehen begangen worden ist. Vergehen sind gemäß § 12 II StGB rechtswidrige Taten, bei welchen im Mindestmaß eine geringere Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe droht. Des Weiteren darf eine höhere Strafe als Freiheitsstrafe von zwei Jahren nicht zu erwarten sein.
  2. Das Schöffengericht besteht aus einem Richter und zwei Schöffen, § 29 I S.1 GVG. Dieses hat in den Fällen zu entscheiden, bei welchen die zu erwartende Strafe höher als zwei bis maximal vier Jahre ist.
  3. Das erweiterte Schöffengericht, bestehend aus zwei Richter und zwei Schöffen, kann auf Antrag der Staatsanwaltschaft bestellt werden, wenn dies erforderlich erscheint, § 29 II GVG. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn es zahlreiche Mitangeklagte und/oder Beweismittel gibt oder erhebliche Straftaten begangen wurden, die das Hinzuziehen eines weiteren Richters rechtfertigen.

Landgericht (LG)

Die Spruchkörper beim Landgericht heißen Strafkammern. Diese sind gemäß § 74 I S.2 GVG für alle Straftaten, bei denen eine höhere Freiheitsstrafe als vier Jahre zu erwarten ist, zuständig.

Innerhalb des Landgerichts gibt es für erstinstanzliche Entscheidungen:

  • die große Strafkammer (§ 74 I GVG i.V.m. § 76 GVG),
  • das Schwurgericht (§ 74 II GVG i.V.m. § 76 GVG),
  • die Wirtschaftsstrafkammer (§ 74c GVG).

  1. Die große Strafkammer ist gemäß § 74 I S.2 GVG für alle Straftaten, bei denen eine höhere Strafe als vier Jahre zu erwarten ist, zuständig. Diese ist von drei Richtern und zwei Schöffen besetzt, § 76 I S.1 GVG.
  2. Das Schwurgericht befasst sich mit den in § 74 II GVG genannten Kapitaldelikten (u.a. Mord, Totschlag, Körperverletzung, Freiheitsberaubung, Vergewaltigung, jeweils mit Todesfolge).
  3. Für Wirtschaftsstrafsachen ist gemäß § 74c GVG eine Wirtschaftsstrafkammer (u.a. für Straftaten nach den Patent-, Marken- und Urheberrechtsgesetzen) zuständig. Des Weiteren befasst sie sich bspw. mit Fällen des Betruges, der Untreue und der Bestechung.

Oberlandesgericht (OLG)

Die Spruchkörper beim OLG heißen Senate. Der Senat besteht in der Regel aus drei Berufsrichtern, wenn nicht nach dem Umfang (bspw. zahlreiche Zeugen und/oder Mitangeklagte) oder der Schwäre der Sache die Mitwirkung zweier weiterer Richter notwendig erscheint, § 122 II S.2 GVG.

Das OLG ist in der Regel in den Fällen des § 120 I, II GVG (u.a. bei Staatsschutzdelikten oder bei Delikten, die bestimmt und geeignet sind, den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen) erstinstanzlich sachlich zuständig.

Bundesgerichtshof (BGH)

Die Spruchkörper beim BGH heißen Senate, § 130 GVG. Sie entscheiden über Revisionen in der Besetzung von fünf Mitgliedern, § 139 I GVG.

In Strafsachen ist der BGH u.a. zuständig für:

  • Revisionen gegen Urteile des OLG in erster Instanz, gemäß § 135 I GVG,
  • Revisionen gegen erstinstanzliche Urteile der großen Strafkammern des LG,
  • Revisionen gegen Urteile des Schwurgerichts,
  • Revisionen gegen Urteile der Wirtschaftsstrafkammer.

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)

In den letzten Jahren wurde das deutsche Strafverfahrensrecht gravierend von dem internationalen Recht beeinflusst. Dieser kontinuierlich stärker werdende Einfluss hat seinen Ursprung in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK). Die EMRK ermöglicht einem, die durch sie gewährten Rechte vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg durchzusetzen.

Dem EGMR gehört grundsätzlich für jeden der derzeit 47 Mitgliedstaaten ein Richter an, die sich auf verschiedene Sektionen und Kammern verteilen.

Der EGMR befasst sich u.a. mit Individualbeschwerden (Art. 34 EMRK). Diese stehen jedem Bürger und jeder nichtstaatlichen Organisation zur Verfügung, der bzw. die eine Grundrechtsverletzung durch einen Mitgliedstaat glaubhaft machen kann, Art. 34 EMRK.

Die Zulässigkeit einer solchen Beschwerde setzt voraus, dass sie innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung und nach Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges eingereicht wird, Art. 35 I EMRK.

Stellt der EGMR einen Verstoß gegen die von der EMRK gewährten Grundrechte fest, hat das nicht zur Folge, dass die Entscheidung der letzten nationalen Gerichtsinstanz außer Kraft gesetzt wird. Der Gerichtshof kann jedoch dem Verletzten für nicht wiedergutzumachende Verletzungen eine „gerechte Entschädigung“ zusprechen, Art. 41 EMRK. Darunter fallen z.B. der Ersatz für materielle oder immaterielle Schäden und der Ersatz der Kosten und Ausgaben im Verfahren.

Zudem kann der Verletzte in Deutschland auf die Feststellung der Konventionswidrigkeit durch den EGMR ein Wiederaufnahmeverfahren stützen, sofern das gerügte nationale Urteil auf der Konventionsrechts-verletzung beruht, § 359 Nr.6 StPO. In diesem Wiederaufnahmeverfahren haben die Mitgliedstaaten in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das Urteil des EGMR zu befolgen und dieses in die neue Entscheidung miteinzubeziehen.

Sie eröffnet dem Einzelnen die Möglichkeit, u.a. folgende Rechte geltend zu machen:

  • Verbot der Folter, Art. 3 EMRK,
  • Recht auf Freiheit und Sicherheit, insb. Recht auf unverzügliche Vorführung des Festgenommenen zur richterlichen Überprüfung der Freiheitsentziehung, Art. 5 III EMRK,
  • Recht auf ein faires Verfahren (fair-trial-Grundsatz), Art. 6 I EMRK,
  • Recht der unverzüglichen Unterrichtung über die Art und den Grund der Anklage in einer dem Angeklagten verständlichen Sprache, Art. 6 III a EMRK,
  • Recht auf Verteidigerbeistand, Art. 6 III c EMRK,
  • Recht, Fragen an den Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen, Art. 6 III d EMRK,
  • Recht auf unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers, Art. 6 III e EMRK,
  • Keine Strafe ohne gesetzliche Grundlage, Art. 7 I EMRK,
  • Recht auf Achtung der Privatsphäre und Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung, Art. 8 EMRK.

Europäischer Gerichtshof (EuGH)

Der EuGH ist für Rechtssachen zuständig, die sich mit einer mutmaßlichen Verletzung der Charta der Grundrechte durch die EU oder durch einen Mitgliedsstaat bei der Umsetzung von Unionsrecht (bspw. Verordnungen, Richtlinien) befassen.

In den allermeisten Fällen kommen Einzelpersonen nur mittelbar an den EuGH heran. Das ist z.B. dann der Fall, wenn eine Einzelperson eine Beschwerde vor ein nationales Gericht bringt und in diesem Fall Fragen bzgl. der Auslegung relevanter EU-Rechtsakten und ihre Vereinbarkeit mit der Charta der Grundrechte auftreten. Diese Unsicherheiten können mithilfe des Vorabentscheidungsverfahrens (Art. 267 AEUV) beseitigt werden, indem nationale Gerichte die Möglichkeit und unter bestimmten Umständen sogar die Pflicht haben, die Mitwirkung des EuGH im Rahmen der Auslegungs- und Gültigkeitsfrage in Anspruch zu nehmen.